Die Kunst des Nein Sagens

Die Kunst des Nein Sagens; Foto: Fabrizio Verrecchia

Eigentlich will ich schon seit Tagen einen Artikel über Bashing im Internet schreiben, aber ein anderes Thema hat sich spontan in meine Hirnwindungen gedrängelt und verlangt danach sich in Worten auszudrücken.

Manchmal hat man diese Momente, in denen ein ganzer Kronleuchter über dem Kopf aufploppt.
In vielen Situationen fällt es mir schwer Nein zu sagen. Vier Buchstaben, ein kleines Wort – dennoch misfällt es mir oft es anzuwenden. Ich sage bestimmt hundert Mal am Tag Nein, aber viel zu selten im „richtigen“ Zusammenhang.
Ihr kennt das vielleicht von euch selbst.

Warum fällt es manchen Menschen so schwer Nein zu sagen?
Vor allem: Warum ich das ab sofort ändern werde.

Warum ist ein Nein manchmal so schwer auszusprechen?

Es gibt etliche Gründe, weshalb es vielen Menschen schwerfällt Nein zu sagen:
– Man will von seinem Gegenüber gemocht und akzeptiert werden
– Man hat das Gefühl, sein Gegenüber mit einem Nein zu enttäuschen
– Man fühlt sich wie ein schlechter Mensch, wenn man einen Gefallen verweigert
– Man hat Angst davor, dass das Gegenüber sauer/beleidigt reagiert
– Man scheut Konflikte

Bei manchen Leuten geht das people-pleasing sogar soweit, dass sie sich andauernd entschuldigen, wenn sie wirklich mal keine Zeit haben (oder sich so viel aufhalsen, dass sie gar nicht mehr wissen wohin mit ihren Terminen). Oder ihre eigene Meinung nicht mehr äußern, um stattdessen nur noch die Ansichten des Gegenübers abzunicken. Es wird einfach zu allem Ja gesagt, nur um nicht anzuecken. Um nicht verantwortlich dafür zu sein, dass jemand anderes schlechte Laune bekommt. Es ist die perfekte Anpassung an die Menschen im eigenen Umfeld, bis hin zur eigenen Unsichtbarkeit.

Erkennt ihr euch wieder?
Dann solltet ihr euch unbedingt die Frage stellen: Will ich das überhaupt?

Warum es wichtig ist mit dem Nein Sagen anzufangen

Weil es legitim und wichtig ist – für euch selbst.

Natürlich möchten wir alle geliebt und/oder gemocht werden, das ist gar nicht der springende Punkt.
Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen, ob ständiges Ja sagen dazu beiträgt oder ob das nur eine Illusion ist.

Kannst du mir sagen, wie das mit ebay Kleinanzeigen geht? Kannst du mir sagen, wo ich dieses oder jenes kaufen kann? Kannst du mir sagen, ob das glutenfrei ist? Kannst du mir sagen, was ich beim Backen falsch mache? Kannst du mir beibringen, wie man bloggt? Kannst du mir Tipps geben, wie ich ein Buch schreibe? Kannst du mir beim Worldbuilding für mein eigenes Buch helfen? Kannst du dies, das, Ananas?

Ich könnte den Fragenkatalog stundenlang fortführen.
Ja, ich könnte Auskunft darüber geben, ob ein Produkt glutenfrei ist oder wie man bloggt. Man könnte im ersten Schritt aber auch einfach Google bedienen. Ich könnte beim Worldbuilding für einen Roman helfen, während ich jemand anderem erkläre, weshalb der Biskuitteig hart geworden ist.
Meine to do Liste würde sich dann aber bis in die Unendlichkeit füllen und ich käme am Ende zu gar nichts mehr.

Ich bin übrigens die, die Glückwunschkarten zu Geburtstagen verschickt und die, die kleine Weihnachtsgeschenke macht, weil es mir Freude macht, anderen eine Freude zu machen.
Spoiler: Ich bin auch die, die fast nie eine Karte zum Geburtstag im Briefkasten findet und auch keine Überraschungspost kurz vor Weihnachten erhält.

Und genau damit ist ab sofort Schluss.

Lange Zeit dachte ich, dass es in Ordnung – ja sogar angemessen! – ist, wenn ich nichts im Gegenzug erwarte. Ich habe so vielen Leuten einen Gefallen nach dem anderen getan, so viele Karten verschickt, so viele Aufmerksamkeiten erbracht – und selbstverständlich haben sich die Empfänger immer überschwänglich bedankt und sich aufrichtig gefreut (was wiederum mich gefreut hat). Ich habe mir immer gesagt, dass es okay ist, wenn andere Menschen anders ticken und dabei bleibe ich. Ich bin jemand, der sehr gerne gibt, aber ich kann nicht leugnen, dass es mich immer wieder aufs Neue enttäuscht hat, wenn keine Aufmerksamkeiten zurückkamen.

Ihr fragt immer so gerne, was genau von mir in Ellie* steckt. Zuviel, um es an der Stelle aufzuzählen, aber unser ausgeprägtes Helfersyndrom haben wir auf jeden Fall gemein.
Es geht nicht darum, niemandem mehr zu helfen und auch nicht darum ab sofort immer und globalgalaktisch Nein zu sagen (ganz abgesehen davon, kann man auch auf eine empathische Art Absagen erteilen). Ich werde auch weiterhin bestimmten Leuten Geschenke machen, wenn mir danach ist. Und wichtigen Menschen Gefallen tun. Es geht um mehr Selektion.

Es ist in Ordnung:
– Prioritäten zu setzen
– Nicht sofort bei allem zuzusagen, sondern um Bedenkzeit zu bitten
– Vorher festzulegen, wie lange man Zeit hat
– Schlicht und ergreifend Nein zu sagen

Es gibt immer eine Wahl und ich muss nicht zwingend erklären, warum ich Nein sage.
Wichtig ist es Prioritäten zu setzen, um nicht nur genug Zeit für mich (ja, auch das ist wichtig und richtig!) sondern auch für die Menschen zu haben, denen ich wirklich helfen will. Menschen, bei denen ich weiß, dass sie im Gegenzug auch mir eine Freude machen oder einen Gefallen tun.

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