Game of Thrones: Battle of the Bastards – Staffel 6, Episode 9

Game of Thrones, Season 6 Episode 9

Game of Thrones: Staffel 6, Episode 9 „Battle of the Bastards“ – Sansa Stark (Sophie Turner) and Jon Snow (Kit Harrington), Foto: Helen Sloan/HBO

Auch etliche Stunden nach der Ausstrahlung der Folge Battle of the Bastards von Game of Thrones fühle ich mich immer noch traumatisiert. Wir alle wussten, was der Titel der neunten Episode verheißt und wir alle haben diesen Moment mindestens so sehr herbeigesehnt wie gefürchtet.
Herbeigesehnt in der Hoffnung auf ein zufriedenstellendes Ergebnis, gefürchtet weil man bei Game of Thrones nie sicher sein kann wer am Ende noch steht.

So oder so: Unterm Strich waren die Ergebnisse der Folge für mich zufriedenstellend, aber der Weg dorthin – not so much.

An dieser Stelle, wie immer, eine Spoilerwarnung an alle, die die neue Folge noch nicht gesehen und/oder die Bücher von George R. R. Martin* (noch nicht) gelesen haben.
Wenn ihr euch die Spannung nicht verderben wollt, solltet ihr an dieser Stelle nicht weiterlesen.

Für die unverbesserlich Neugierigen: Vorsicht, ab hier wird’s nun wirklich detailliert.

Spoiler - hier nicht weiterlesen, wenn ihr noch nicht so weit geschaut habt
Eines gleich vorweg: Ich scheue mich nicht zu sagen, dass ich ganz offensichtlich nicht dem Mainstream entspreche. Was der breiten Masse gefällt, sagt mir oftmals nicht zu und andersherum mag ich die Dinge, die die große Mehrheit in die Schublade geht gar nicht einsortiert.

Wie ich bereits in meinem Recap begründet habe, empfand ich die Episode The Broken Man als die bislang beste der Staffel, während mich die Folge No One aus der vergangenen Woche zutiefst enttäuscht hat. Nennt es altmodisch, aber für mich zählt bei einer Serie, einem Film oder einem Buch das Storytelling.
Natürlich stehe ich auch auf tolle CGI-Effekte und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich keine Action brauche. Aber raffiniertes Storytelling wiegt das alles für mich auf. Ich muss nicht immer sehen, wie die Eingeweide und Köpfe auf dem Schlachtfeld durch die Gegend fliegen – für mich reicht es in vielen Fällen, wenn etwas off camera geschieht, weil die Vorstellung in meinem Kopfkino sowieso nicht zu toppen ist.
Ein tolles Beispiel dafür ist der erste Teil der Hunger Games Filme, der mit extrem wenigen Special Effects auskommen musste, aber trotzdem unglaublich Furcht einflößend und gefühlstief ist.

Wie dem auch sei: Auch wenn mir Battle of the Bastards viel zu gewaltüberladen war, muss ich zugestehen, dass cineastisch kaum mehr rauszuholen ist. Und auch das Ende der Folge schafft einen Ausgangspunkt, der befriedigend ist für das, was noch kommen wird. Schauen wir uns mal die Details an.

Mereen

Tyrion

Als wir Tyrion zuletzt gesehen haben, stand Mereen unter Beschuss durch die Flotte der Sklavenhändler und seine Königin kam auf Drogon herangeeilt, um potenziell allen den Arsch zu retten – oder erstmal zu versohlen.
Überraschenderweise bleibt die Standpauke aus, obwohl ich erwartet hatte, dass wir uns einiges an selbstgefälligem Geschwafel anhören müssen. Pluspunkt, dass dieser Fall nicht eingetreten ist, aber wer weiß was noch kommt. Immerhin ist auch nicht so viel Zeit zum Streiten, wenn das Haus mit riesigen Wackersteinen beworfen wird.

Tyrion hat sich auf sein diplomatisches Geschick verlassen und darauf gebaut, dass die Sklavenhändler sich an den zuvor ausgehandelten Deal halten (keine Sklaven mehr in sieben Jahren, keine neuen Sklaven mehr, und soweiter, wir erinnern uns).
Interessant finde ich, dass er, als Westerosi im Allgemeinen und als Lannister im Speziellen, es eigentlich hätte besser wissen können. Vereinbarungen werden ausgehandelt und man hält sich genau so lange daran, wie es einem selbst nutzt. Danach? Pfff! Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!
Die Sklavenhändler haben seinem Vorschlag nur zugestimmt, um auf den passenden Moment zu warten, um Mereen anzugreifen und die ihnen verhasste Dragonqueen vom Thron zu schubsen.

Ich sehe in Tyrions Verhalten eine Parallele zu den vermeintlich ehrenwerteren Charakteren des GoT Universums: Auch die Starks glauben immer, dass eine Abmachung verlässlich ist und man zu seinem Wort steht. Ich dachte eigentlich, dass Tyrion aus den Verfehlungen der anderen gelernt hat – aber hier haben wir den Salat.
Zweite Parallele zu den Starks ist das konsequente Ignorieren der Hinweise der Berater. Missandei und Grey Worm haben Tyrion von Anfang an davor gewarnt, dass die Sklavenhändler sich nicht an die Vereinbarung halten werden.

Daenerys

Die Rückkehr der Dragonqueen hat mich nicht gerade in Jubelstürme ausbrechen lassen, aber in diesem speziellen Fall war es dann doch nett anzusehen, wie sie mit ihren Drachen die Angreifer ordentlich aufgemischt hat.
Wobei ich mich schon frage, weshalb die beiden Drachen im Keller erst jetzt beschlossen haben, dass es eine gute Idee ist buchstäblich mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. Nicht mehr angekettet sind sie ja nun doch schon eine ganze Weile. Wir werden es wohl nie erfahren, aber das Timing hätte nicht besser sein können. Und zum Glück waren sie nicht allzu sauer auf ihre Mommy, die sie im Keller eingesperrt hat.

Interessant fand ich den Eingangsdialog zwischen Daenerys und Tyrion, in dem er darauf hinweist, dass es keine besonders gute Idee ist, die Städte der Sklavenhändler dem Erdboden gleichzumachen. Es wird im Netz schon seit Längerem darüber spekuliert, ob die Autoren Daenerys vielleicht zu einem villain machen und ich denke, dass wir in einigen Momenten definitiv schon einen Vorgeschmack bekommen haben, wie rücksichts- und erbarmungslos ein Targaryen seine Ziele verfolgen kann.
Daenerys hat ein gutes Herz, aber ihre Emotionen gewinnen manchmal die Oberhand über ihren Verstand. Das Dumme dabei ist nur, dass bei solchen Entscheidungen viele Unschuldige ihr Leben lassen, wenn man ein Anführer ist. Na, Jon Snow? Kommt dir das irgendwie bekannt vor?

Aber egal wie man es dreht und wendet: Daenerys‘ Absichten sind edel. We’re going to leave the world better than we found it, sagt sie zu Yara Greyjoy und ich bin überzeugt davon, dass sie das auch genau so meint. Sie will neue Wege gehen, sie will die Welt zu einem besseren Ort machen. Dass der Prozess ziemlich blutig ist, nimmt sie billigend in Kauf. Wenn uns Game of Thrones eines gelehrt hat, dann dass offenbar niemand Gutes tun kann, ohne in gewisser Weise böse zu sein. Schwarz oder weiß gibt es nicht und letzten Endes ist alles eine Frage des eigenen Standpunktes.

Ich bin gespannt, ob Arya möglicherweise auch noch zu der Greyjoy-Lannister-Targaryen Party stößt. Wie großartig wäre das?
Ansonsten: Die Mereen-Story war cool gemacht, die Drachen wirken ziemlich unverwundbar und wir dürfen uns hoffentlich darauf freuen, die Schwachstellen zu finden, weil die possierlichen Tierchen ansonsten ziemlich drüber wären. Nette CGI, ein brutzelndes Schiff (wie aufmerksam nur eines kaputt zu machen, braucht man doch die Schiffe, um nach Westeros zu segeln!) und zwei hingerichtete Sklavenhändler. Läuft bei Daenerys.

Die Greyjoys

Nachdem Yara und Theon in Mopsgeschwindigkeit um die halbe Welt gesegelt sind, haben sie auch noch die letzte Strecke des Weges zurückgelegt und werden bei Daenerys vorstellig.
Das Timing der Greyjoys ist miserabel: Sie haben die ganze Party verpasst! Aber man kann eben nicht alles haben.

Ich reihe mich bei den vielen löblichen Kommentaren ein, die es zur Yara-Daenerys Konversation gibt. Die beiden Frauen haben definitiv eine gemeinsame Basis. Sie sind beide geschlagen mit ätzenden Vätern (wobei sie damit im GoT Universum wahrlich nicht allein sind, vielleicht wäre eine Selbsthilfegruppe ein Kassenschlager für die Zeit nach der Apokalypse) und sie lassen sich nicht von Männern erklären, wie die Welt funktioniert. Sie haben ihre eigene Meinung und ihre eigene Vorstellung, wie sie die Welt verändern wollen.

Daenerys versteht Yaras Anliegen „ein oder zwei“ Onkel aus dem Weg räumen zu wollen, die der Meinung sind, dass Frauen nicht regieren können. Abgesehen davon gefällt Daenerys (und auch mir), dass es Yara nicht darum geht am Ende auf dem Iron Throne zu sitzen, sondern „nur“ um die Iron Islands. Sie will einfach nur ihr zu Hause zurückhaben und unabhängig sein. Dafür verlangt Daenerys im Gegenzug ganz locker vom Hocker, dass auch die Ironborn neue Wege gehen müssen, sprich: Keine Piraterie mehr, kein Plündern, keine Vergewaltigungen.
Yaras Protest wirkt ziemlich dürftig (but that’s our way of life), aber okay, sie braucht die Allianz womöglich noch mehr als Daenerys (die Schiffe könnte sie im Zweifel auch noch Onkel Euron abschwatzen).

Ich mag die Dynamik, die die Story an dieser Stelle annimmt und dass die Greyjoys die Gelegenheit bekommen, doch noch etwas „Richtiges“ zu tun.
Abgesehen davon bin ich mir ziemlich sicher, dass es kein Zufall war, dass wir letzte Woche gesehen haben, dass Yara sich auch zu Frauen hingezogen fühlt – vielleicht kommt hier ein bisschen Girls Romance auf uns zu? Selbst wenn nicht, haben wir hier zwei starke Frauen, die ihr Schicksal in die eigene Hand genommen haben. Ein Grundthema dieser Staffel, das noch die ein oder andere spannende Veränderung der Machtgefüge verspricht.

Winterfell

Jon

Die Schlacht um Winterfell ist das Ereignis, dem wir entgegen gefiebert haben. Jon Snow gegen Ramsay Bolton aka Snow. Der Battle of the Bastards oder im Netz auch erwartungsvoll Bastards Brawl genannt. Gestern war der Moment endlich gekommen: Die von den Fans herbeigeredeten Klischees wurden erfüllt, aber atemberaubende Überraschungen blieben leider aus. Und macht nicht gerade das Game of Thrones so großartig? Aber der Reihe nach.

Wir erleben die Abfolge der Ereignisse weitgehend aus Jons Sicht, die Kamera folgt ihm aufs Schlachtfeld und auch wenn mir die komplette Winterfell-Sequenz nicht gefallen hat, muss ich zugestehen, dass der Kampf cineastisch hervorragend war. Ich habe viele Kommentare im Netz gelesen, in denen gemeckert wurde, weil man angeblich zu sehr merkt, dass CGI im Spiel ist. Für absolute Filmfreaks mag das zutreffen – ich für meinen Teil habe davon gar nichts mitbekommen, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war meinen flauen Magen zu ignorieren.
Die Kamera folgt Jon auf Schulterhöhe mitten ins Getümmel, wir sehen Pferde links und rechts vorbeipreschen, Dreck, Blut und Eingeweide rumspratzen und Schwerter, Pfeile und andere Waffen auf Jon zurasen. Es ist laut, es ist unübersichtlich, dreckig und eng. Ja, vor allen Dingen ist es klaustrophobisch.
Die Art der Kameraführung (und des Tons, etc.) hat mich dermaßen mit ins Geschehen hineingezogen, dass mir während der gesamten Sequenz schlecht war und ich wie paralysiert auf dem Sofa gesessen habe. Erst im Nachhinein habe ich gemerkt, wie verkrampft ich meine Hände vor meinen Mund gedrückt habe. Ihr dürft das gerne für übertrieben halten, aber ich bin sehr empathisch und wenn ich über so lange Filmminuten hinweg mit so viel Gewalt und Abscheulichkeit überladen werde, dann kann ich nur schwer damit umgehen (einer der Gründe, weshalb ich keine Horrorfilme oder Psychothriller schaue).

Zurück zum Bastard Brawl. Jon hat seine Anhänger bis nach Winterfell geführt und campiert an derselben Stelle wie Stannis eine Staffel zuvor. Wir erinnern uns: Stannis ist relativ zügig im Schnee versunken, weil er zu lange mit dem Angriff auf die Boltons gewartet hatte. Jon ist in Winterfell aufgewachsen und weiß, dass sie entweder schnell zum Zuge kommen müssen oder das Wetter wird ihnen einen Strich durch die Rechnung machen.
Zusammen mit Ser Davos tüftelt er eine Strategie aus, um Ramsay Boltons Truppen zu bezwingen, allerdings wird schnell klar, dass das alles ziemlich gewagt ist. We need more men, merkt Sansa nicht zum ersten Mal an, und Jon antwortet nicht zum ersten Mal That’s all we’ve got. Desperate times.
Was Jon allerdings nicht weiß: Sansa hat Kontakt zu Littlefinger aufgenommen, der ihnen möglicherweise mit den Knights of the Vale zu Hilfe kommen könnte. Aber dazu später.

Das parley, das vor dem Tag der Schlacht stattfindet, ist an Skurrilität kaum zu überbieten, aber die Starks wollen sichergehen, dass Ramsay tatsächlich den jüngeren Bruder Rickon in seiner Gewalt hat. Den Jungen bringt er zwar nicht mit, dafür aber den Kopf des Direwolves, yummy. Die Spekulationen von vor ein paar Wochen, ob es sich um den echten Wolfskopf gehandelt hat, sind damit wohl hinfällig, denn auf einen Plottwist haben wir vergebens gewartet.
Während des Geplänkels versucht Ramsay Jon aus der Reserve zu locken, indem er in so ziemlich jedem Satz hundert Mal das Wort Bastard fallen lässt, aber wir können beobachten, dass Jon das zwar nicht gefällt, ihn aber auch nicht ausflippen lässt. Ganz im Gegenteil: Jon versucht sogar den Spieß rumzudrehen und Ramsay verbal aufzustacheln, damit er emotionalisiert in den bevorstehenden Kampf geht und einen Fehler macht. Ersteres klappt ganz gut, letzteres… not so much.

Wir stehen hier wieder einmal vor einem altbekannten Problem: Die Starks neigen dazu, die Welt nicht so zu sehen, wie sie ist, sondern wie sie sie gerne hätten. Gepaart mit der Idiotie alle Ratschläge in den Wind zu schlagen ist das eine höchst prekäre Mischung. Hoffnung für die Zukunft macht nur, dass Sansa und Arya inzwischen ein Level Up hatten, was das angeht.

Sansa warnt Jon eindringlich davor, dass er Ramsay nicht unterschätzen soll, weil man manipulative Ärsche eben nicht unterschätzen darf. Sansa sagt sehr präzise voraus, dass Ramsay nicht in Jons Falle tappen wird, sondern er derjenige ist, der Fallen für andere auslegt. I don’t know about battles, just don’t do what he wants you to do. He likes to play people. Ach Jon, hättest du doch lieber mal auf deine Schwester gehört. Aber wie es mit den Stark-Männern so ist, ach. Ihr wisst es selbst.

Ramsay zeigt uns zum Abschluss noch einmal seine ganz widerliche und perfide Seite, indem er Rickon zuerst freilässt, um ihn über das noch unberührte Schlachtfeld in Jons Richtung rennen zu lassen… nur um den Jungen mit Pfeil und Bogen niederzustrecken. Do you like games little man? Brrr. Creepy, dude.
Jon reagiert standesgemäß für einen Stark: Er reitet sofort los, um seinen kleinen Bruder vor dem Unvermeidlichen zu bewahren – und bringt damit sich, und in letzter Konsequenz auch seine Armee, in Schussreichweite von Ramsays Bogenschützen. Jeez. Hätte der Lord of the Light Jon nicht die Karte „Heute stirbst du nicht, gehe sofort über Los“ zugesteckt, dann hätte er sich wohl die Radieschen von unten angeschaut.

Ich habe überlegt, ob ich Genugtuung verspürt habe als klar wurde wie recht Sansa hatte. Aber zwischen dem ganzen Horror auf dem Schlachtfeld war gar kein Platz dafür, während Jon trittsicher in jede Falle tappt, die Ramsay ausgelegt hat.

Die Szene, in der Jon beinahe von den flüchtenden Menschenmassen totgetrampelt wird, ist filmisch überragend. Man bekommt selbst auf dem Sofa Schnappatmung und ist froh, als er es endlich nach oben geschafft hat. Das Ringen nach Luft erinnerte im Übrigen doch sehr an sein Erwachen nach der Wiederbelebung der zweiten Episode.

Neben dem scheinbar endlosen Geschnetzel hatte Jon imho noch eine spannende Szene – der Moment, in dem er Ramsay endlich in die Finger bekommt. Ramsay schafft es zwar WunWun zu töten (für die großen Jungs sieht es diese Staffel düster aus, watch out Mountainstein!) drei Pfeile auf Jon abzufeuern (er wehrt diese mit einem Mormont Schild ab, was für ein tolles Detail! Ich hoffe, wir sehen Mini-Mormont nächste Woche wieder!), aber der Lord of the Light hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Nachdem Ramsays Gesicht nähere Bekanntschaft mit dem Bärenschild gemacht hat, flippt Jon endgültig aus und prügelt auf den ätzendsten aller Boltons ein als gäbe es kein morgen mehr. Bei den ersten Fausthieben denkt man noch Jaaa! Und noch eine für Rickon! Und noch eine für dies! Das!, aber dann realisiert man, was da gerade passiert – vor allem, was mit Jon passiert. Und plötzlich musste ich an die Folge The Broken Man denken. Snap. Es wird nichts mehr so sein, wie es mal war.

Sansa

Sansa hat in dieser Season wohl eine der beeindruckendsten Charakterentwicklungen durchgemacht. Wo sie anfangs noch das kleine Mädchen war, das zu den Rittern in ihren schimmernden Rüstungen aufgeblickt hat, ist sie jetzt eine junge Frau, die versucht aus Schaden klug zu werden. Sie hat viel durchlitten, viel beobachtet, einiges gelernt. Sie versteht vielleicht nichts von Kämpfen auf einem Schlachtfeld, aber sie weiß inzwischen durchaus, wie man die ein oder andere Strippe zieht. Was natürlich nicht heißt, dass sie sich urplötzlich zum Mastermind aufgeschwungen hat, aber immerhin.

Eine der am meisten geführten Diskussionen im Netz ist die Frage: Warum hat Sansa vor Jon verheimlicht, dass sie Littlefinger um Hilfe gebeten hat?

Einige Stimmen behaupten, dass sie es verschwiegen hat, weil sie genau wusste, dass Ramsay sich hinter den Mauern Winterfells verschanzen würde, würden sich die Knights of the Vale Jons Armee von vornherein anschließen. Letztlich waren die Ritter genau die Männer, die zu Boltons Niedergang fehlten und Sansa müsste davon ausgehen, dass Ramsay das ebenfalls klar ist. Einer Belagerung hingegen hätten Jon und seine Truppe nicht standhalten können – die widrigen Wetterumstände hätten schon allein dafür gesorgt, ohne dass Ramsay auch nur einen Fuß in den Schnee hätte setzen müssen.

Nichts für ungut, aber ich glaube, dass man Sansa mit dieser Theorie zuviel zutraut. Ja, sie hat sich entwickelt und hat sich aus ihrer Opferrolle befreien können, aber ich halte es nicht für plausibel, dass sie so weit im Voraus planen und absehen kann, wie sich die Dinge entwickeln.
Ich denke, dass wir es unterm Strich mit Vertrauensproblemen vom Feinsten zu tun haben, die mich doch schwer an die Winchester-Brüder aus Supernatural erinnern. Der eine verschweigt dem anderen etwas, aus mehr oder weniger guten Gründen, und am Ende geht alles ins Auge. Ich kann mir vorstellen, dass Sansa nichts von ihrem Brief an Littlefinger gesagt hat, weil sie glaubt, dass Jon dieser Allianz nicht zustimmen würde. Noch dazu kommt, dass Sansa Baelish selbst nicht über den Weg traut – wer weiß schon, wie verlässlich ein solches Bündnis wäre? Bei Littlefinger muss man fast davon ausgehen, dass er sogar noch kurz vor knapp auf die Seite der Boltons wechselt, wenn er sich davon eine bessere Ausgangsposition für sich selbst verspricht.
Außerdem wissen wir gar nicht, ob Sansa eine Antwort von Baelish erhalten hat – wir wissen nur, dass sie ihm eine Nachricht geschickt hat. Sie konnte also nicht wissen, ob und wann er zu ihnen stößt. Alles gute Gründe, um die Klappe zu halten, damit man sich hinterher nicht vorhalten lassen muss, dass man ein dummes Mädchen ist, das keine Ahnung hat.
Erschwerend kommt hinzu, dass Sansa gelernt hat, dass Vertrauen tödlich ist. Nicht umsonst sagt sie zu Jon No one can protect me. Sie hat gelernt, dass sie sich nicht darauf verlassen kann, Hilfe oder Schutz von anderen zu erwarten. Ich denke sie liebt Jon und für sie ist er ihr Bruder (sie nennt ihn auch immer brother, obwohl Littlefinger beim letzten Treffen darauf bestand, dass er ihr half-brother ist), aber ihre psychischen Verletzungen gehen zu tief, als dass der Familienbund ausreichen würde, dass sie uneingeschränktes Vertrauen hat.

Einige Kommentare handelten sogar davon, dass Sansa verärgert und/oder enttäuscht aussah, als sie registriert hat, dass Jon sich aus dem Menschenknäuel befreien konnte. Habe ich nicht so gesehen und ich glaube auch nicht, dass Sansa Jon den Tod gewünscht hat oder wünscht. So oder so ist er keine Bedrohung für sie, weder menschlich, noch anders: Den Anspruch auf Winterfell kann aktuell nur sie erheben. Auch was das angeht haben einige Kommentarschreiber verlauten lassen, dass es Sansa gut in den Kram gepasst hat, dass Rickon die Schlacht nicht überlebt hat. Auch hier glaube ich nicht, dass Sansa – trotz allem, was sie durchgemacht hat – so tickt. Sie war durchaus bereit ihren Bruder zu retten, ihre Familie bedeutet ihr auch etwas, aber sie kennt Ramsay besser als die meisten anderen und sie wusste, dass Rickons Tod bereits in dem Moment besiegelt war, als Ramsay ihn in die Finger bekommen hat. Die Frage war nicht ob, sondern wann. Wieder ein Beispiel dafür, dass die Mädels die Welt inzwischen eher so sehen, wie sie ist. Jon hingegen hat sich an die Hoffnung geklammert, dass sie Rickon irgendwie rausboxen können (was wir uns definitiv alle gewünscht hätten, aber Wunschkonzert und so, ne?)

Stark war natürlich die Schlussszene, in der Sansa dabei zusieht, wie Ramsay von seinen eigenen Hunden zerfleischt wird. Dieses Bolton-Ende haben viele Fans geradezu beschworen und ja, es ist schon symbolträchtig, wenn auch ziemlich eklig.
Ramsay ist bis zum Schluss überzeugt davon, dass seine eigenen Hunde ihm nichts tun werden, aber hey – wer seine Haustiere eine Woche lang nicht füttert, der muss damit rechnen, dass das in die Hose geht. They are loyal beasts, sagt Ramsay, woraufhin Sansa nur erwidert They were. Until you starved them. Das spiegelt ganz gut wider, wie die Boltons nicht nur mit ihren Hunden, sondern auch mit ihren Untergebenen umgehen. Jeder ist loyal, bis man den Bogen überspannt.
Gefallen hat mir, dass Sansa diese innere Ruhe hat, um Ramsay einfach nur zu sagen, dass keine Erinnerung an ihn oder sein Haus übrig bleiben wird. Auch hier ist der Gegensatz zwischen Boltons und Starks toll: Die Boltons, die mit Angst und Terror regieren (allein die „Tradition“ mit dem Häuten der Gegner und so, urghs) und die Starks, die ihre Untergebenen gut behandeln (The North remembers). Wie es in den Wald schallt und so.

Interessanter Punkt: Ramsay sagt kurz vor seinem Ableben noch I’m inside you now, bezogen darauf, dass er nie ganz vergessen sein wird. Viele Mutmaßungen gehen in die Richtung, dass damit angedeutet sein könnte, dass Sansa schwanger ist. Das wäre eine recht offensichtliche Auflösung, aber ich glaube viel mehr, dass er damit meint, dass die Auswirkung, die sein Handeln auf Sansa hat, niemals rückgängig zu machen ist. Nichts ist mehr so, wie es mal war, remember? Er hat Sansa für immer geprägt und wenn wir ihr angedeutetes Lächeln sehen, als sie sich von ihm abwendet (während er zerfleischt wird, nom), dann behält Ramsay wohl recht.

Littlefinger

Ein paar kurze Sätze zu Littlefinger. Dass er sich als Retter in der Not aufspielen würde haben wir alle erwartet. Dass er wie Gandalf nach Helms Klamm geritten kommt war zunächst eher ein Witz, aber äh ja. Die Parallelen waren schon irgendwie fast lächerlich. Aber wie dem auch sei, habe ich ein oder zwei Gedanken, die imho in fast allen Kommentaren unter den Tisch fallen:

1. Alle spekulieren über die Gründe, weshalb Sansa ihren Brief an Littlefinger verheimlicht hat. Was aber die meisten offenbar nicht mehr auf dem Schirm haben ist, dass Littlefinger ihren Brief gar nicht braucht. Er hat doch bereits selbst entschieden, dass die Knights of the Vale Sansa im Kampf um Winterfell unterstützen sollten. Wir erinnern uns, dass er in Episode 4 (?) mit Robin Arryn darüber gesprochen und sich dann auf die Reise gemacht hat. Das war also schon lange bevor Sansa den Brief überhaupt geschrieben hat. Baelish hat also bereits vorher schon antizipiert, dass es zu diesem Kampf um Winterfell kommen würde. Vielleicht konnte er nicht vorhersehen, dass Sansa türmen würde, aber er hat vermutlich das beste daraus gemacht und seinen Plan angepasst. Das bringt mich zum zweiten Punkt.
2. Wenn Littlefinger Sansas Anwesenheit in Winterfell gebraucht hat, war es ihm vielleicht gar nicht so recht, dass sie abgehauen ist. Möglicherweise war sie wie ein Köder, damit Jon Winterfell angreift, nachdem Stannis gescheitert ist.
Vielleicht brauchte Baelish auch eine Rechtfertigung, um den Boltons vor die Tür zu kacken – vor Robin Arryn, dessen Ritter die Drecksarbeit machen sollen und möglicherweise auch vor anderen Häusern. Immerhin mischt Baelish sich damit zum ersten Mal ganz offen in mehr oder weniger politische Angelegenheiten ein (allein das ist schon ungewöhnlich für ihn).
Was wäre wenn Littlefinger nach Sansas Flucht einen neuen Köder brauchte? Was wäre wenn Littlefinger derjenige war, der Osha und Rickon an die Boltons ausgehändigt hat, um sicherzustellen, dass Sansa und Jon zurückkommen und Winterfell zurückerobern wollen? Was wäre wenn Littlefinger (und nicht Ramsay) am Ende sogar den Brief geschrieben hat, der Jon an der Mauer erreichte? Dann wäre alles von langer Hand geplant gewesen und es wäre gar nicht mehr so überraschend, dass die Armee aus dem grünen Tal just im richtigen Moment über den Hügel galoppiert kommt.

Just don’t do what he wants you to doHe likes to play people.
Oh, Sansa. Möglicherweise hat sie verstanden, wie die Schachfiguren hin- und hergeschoben werden, aber ihr fehlt Baelishs Erfahrung, um die Züge so weit im Voraus zu planen. Sie ist vielleicht kein Opfer mehr, aber auch noch lange keine gute Schachspielerin. Littlefinger hat sie (und die anderen) wie Marionetten genau an den Punkt gebracht, an den er sie haben wollte. Entweder will er Warden of the North werden oder wird die Starks wieder verraten.

Talking about Verrat: Ich fand im Übrigen dann doch überraschend und enttäuschend, dass die Karstarks tatsächlich ein echtes Bündnis mit den Boltons eingegangen sind. Bis zum Schluss habe ich noch gehofft, dass sie sich doch auf die Seite der Starks schlagen.

Dass Game of Thrones nicht gewaltfrei und voller rosa Zuckerwatte ist – geschenkt. Es ist auch nicht so, dass ich nichts ab kann, aber gestern wollte man wohl alles an Gewaltexzessen nachholen, was in den letzten Folgen nicht gezeigt wurde und das hat mich gestört.

Trotzdem ziehe ich meinen Hut vor den Filmemachern, denn ob es mir nun gefallen hat oder nicht: Die Bilder haben mich definitiv in ihren Bann gezogen und Gefühle bei mir ausgelöst. Ziel erreicht.

Ich hoffe, euch hat der Recap gefallen. Dem großen Staffelfinale sehe ich sowohl mit Vorfreude, als auch mit ein bisschen Wehmut entgegen – immerhin müssen wir dann fast ein ganzes Jahr Abschied von Westeros nehmen bis es weitergeht.
Aber wer weiß? Vielleicht erscheint Winds of Winter doch noch vor Staffel 7 und schmälert die Entzugserscheinungen ein wenig.

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